1. Eine Ausschreibung kann nur kostenneutral aufgehoben werden, wenn der Auftraggeber den Aufhebungsgrund nicht zu verantworten hat.
2. Der Auftraggeber muss die Finanzierung absichern, indem hinreichende Mittel für das Projekt im Haushalts- oder Wirtschaftsplan als Ausgaben veranschlagt werden.
3. Wird ein Vergabeverfahren eingeleitet, ohne dass die Voraussetzungen einer gesicherten Finanzierung gegeben sind, ist keine sanktionslose Aufhebung gerechtfertigt, wenn der Vergabestelle die fehlende Finanzierung bei sorgfältig durchgeführter Ermittlung des Kostenbedarfs vor der Ausschreibung hätte bekannt sein müssen.
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.09.2018 - 3 VK LSA 49/18
LVG-SA §§ 8, 19 Abs. 1, 2; VOB/A 2016 § 2 Abs. 5, § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 1
Problem/Sachverhalt
Ein Auftraggeber (AG) schreibt im Wege der öffentlichen Ausschreibung Bauleistungen zum Umbau einer Pumpstation aus. Der AG hat für die Baumaßnahme vorab Gesamtausgaben veranschlagt. Diese liegen über dem vor der Ausschreibung erstellten Kostenanschlag. Der Fehlbedarf ist nicht über den beschlossenen Wirtschaftsplan abgedeckt. Zur Submission liegt nur ein zuschlagsfähiges Angebot vor. Dieses liegt im Preis 37% über dem Kostenanschlag. Der AG hebt die Ausschreibung auf. Als Grund ist lediglich dokumentiert, dass die Mehrkosten von 37% nicht zu kompensieren sind. Der AG teilt dem Bieter mit, dass kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen
entspricht und sein Angebot überteuert ist. Er kündigt eine beschränkte Ausschreibung an. Der Bieter wendet sich an die Vergabekammer und beantragt die Aufhebung der Aufhebung.
Entscheidung
Zum Teil mit Erfolg! Die Vergabekammer hält die Aufhebung des Verfahrens für rechtswidrig. Der AG hat die Finanzierungsgrundlage für das Bauvorhaben nicht ausreichend gesichert. Eine gesicherte Finanzierung für ein Bauvorhaben setzt voraus, dass hinreichende Mittel für das Projekt im Haushalts- oder Wirtschaftsplan als Ausgaben veranschlagt worden sind (Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 2 VOB/A Rz. 50). Der AG hat es vergaberechtswidrig unterlassen, den Fehlbedarf zwischen vorab ermittelten Gesamtkosten und Kostenanschlag vor der Ausschreibung haushaltsrechtlich abzusichern. Der Vergabeakte fehlt es zudem an jeglicher Dokumentation hinsichtlich der vollumfänglich gesicherten Finanzierung und der vor Aufhebung zwingend erforderlichen Interessenabwägungen. Den AG trifft ein Verschulden, weil er das Vergabeverfahren in Kenntnis der fehlenden Haushaltsmittel eingeleitet hat. In diesem Fall ist eine sanktionslose Aufhebung nicht gerechtfertigt, wenn die fehlende Finanzierung bei sorgfältig durchgeführter Ermittlung des Kostenbedarfs vor der Ausschreibung der Vergabestelle hätte bekannt sein müssen (Ziekow/Völlink, 3. Aufl., § 2 EU VOB/A Rz. 30). Die Aufhebung war daher rechtswidrig. Die Bieter müssen dies dennoch hinnehmen. Der AG ist nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen (std. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13, VPRRS 2014, 0283; Kappelmann/Messerschmidt/Glahs, 6. Aufl., VOB/A § 17 Rz. 7,). Eine Aufhebung der Aufhebung kommt nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Dies sind das Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grunds oder die Scheinaufhebung zum Zweck, einen Bieter gezielt zu diskriminieren (vgl. nur BGH, a.a.O; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2012 - Verg 7/12, VPRRS 2012, 0243). Diese liegen nicht vor.
Praxishinweis
Das OLG München (Beschluss vom 04.04.2013 - Verg 4/13, VPRRS 2013, 0437; Beschluss vom 06.12.2012 - Verg 29/12, VPRRS 2012, 0435) sieht eine unwirksame Aufhebung nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen die Aufhebung nur zum Schein erfolgt oder nur dem Zweck dient, einen Bieter zu diskriminieren. Dies würde den Primärrechtsschutz der Bieter zu sehr einschränken. Überwiegend werden die Bieter jedoch trotz rechtswidriger Aufhebung auf Schadensersatz verwiesen.
RA und FA für Vergaberecht Dr. Konstantin Pohlmann, Leipzig
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