1. Der öffentliche Auftraggeber muss in den Vergabeunterlagen deshalb eindeutig regeln, ob eine
Gesamtvergabe oder eine losweise Vergabe vorgesehen ist.*)
2. Bauleistungen sind gem. § 5 Abs. 2 VOB/A 2016 in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art
oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.*)
3. Schwierigkeiten, die nach Art und Ausmaß typischerweise mit der Vergabe nach Losen verbunden sind,
reichen nicht aus, um eine Gesamtvergabe zu begründen. Belastungen des Auftraggebers mit der
Koordinierung mehrerer Auftragnehmer oder die erschwerte Durchsetzung von Mängelhaftungsansprüchen
aufgrund mehrerer Vertragspartner hat der Auftraggeber nach dem Konzept der VOB aus mittelstands- und
wettbewerbspolitischen Gründen hinzunehmen.*)
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.07.2018 - 3 VK LSA 39/18
LVG-SA § 3 Abs. 2, § 19 Abs. 2 Satz 4; VOB/A 2016 § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2
Problem/Sachverhalt
Eine Kommune schreibt Straßenbauarbeiten aus. Die Leistung ist in drei Fachlose (Spundwand-, Straßenbau- und
Kanalbauarbeiten) aufgeteilt. Jedes Fachlos ist einem anderen Auftraggeber zugeordnet. Die Vergabe wird von
einem der drei Aufraggeber (AG) als Vergabestelle durchgeführt. Die Bieter müssen zwingend für alle drei Lose ein
Angebot abgeben. Einziges Wertungskriterium war der Preis. Der AG beabsichtigt die Vergabe aller Lose an einen
Bieter. Dessen Angebot enthält für alle drei Lose den niedrigsten Gesamtpreis. Ein unterlegener Bieter rügt, dass
sein Angebot zu Los 1 das preisgünstigste ist. Bei einer losweisen Vergabe seien die Angebote für jedes einzelne
Los zu werten. Eine Angebotswertung auf Grundlage des Gesamtpreises stelle eine unzulässige Gesamtvergabe
dar. Der AG weist die Rüge zurück. Der unterlegene Bieter wendet sich darauf an die Vergabekammer.
Entscheidung
Mit Erfolg! Die Vergabekammer bejaht einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016)
und das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VOB/A 2016).
Der AG hat in den Vergabeunterlagen nicht klar geregelt, ob Gesamt- oder Losvergabe vorliegt. Zwar lassen die
Informationen, wonach es für die drei Lose jeweils drei Auftraggeber gibt und der AG Vergabestelle ist und die
gesamte Vergabe durchführt, eine Gesamtvergabe der Lose vermuten. Eindeutig ist dies aber nicht. Damit fehlte es
an einer klaren Kalkulationsgrundlage. Der AG muss in den Vergabeunterlagen eindeutig regeln, ob eine
Gesamtvergabe oder eine losweise Vergabe vorgesehen ist. Den Bietern war die Möglichkeit einer sicheren
Preisberechnung genommen, da sie die Vergabeunterlagen unterschiedlich interpretieren konnten. Eine
Vergleichbarkeit der Angebote war damit nicht möglich. Zudem bejaht die Vergabekammer einen Verstoß gegen
das Gebot der Losvergabe (§ 5 Abs. 2 VOB/A 2016). Schwierigkeiten, die nach Art und Ausmaß typischerweise mit
der Vergabe nach Losen verbunden sind, reichen nicht aus, um eine Gesamtvergabe zu begründen. Das gilt etwa
für die Belastung des AG mit der Koordinierung mehrerer Auftragnehmer oder die erschwerte Durchsetzung von
Mängelhaftungsansprüchen. Andererseits ist auch bei der Bildung von Losen der Bedarf des öffentlichen AG zu
beachten. Der AG bestimmt die auszuschreibende Leistung nach seinen individuellen Zwecken. Er muss keine
Losvergabe ermöglichen. Dem AG steht ein Beurteilungsspielraum zu. Er muss zwischen dem Interesse an einer
bedarfsgerechten Auftragsdurchführung und den Interessen des Mittelstands abwägen und dies im
Vergabevermerk dokumentieren (§ 20 VOB/A). Eine Gesamtvergabe ist nur zulässig, wenn die Gründe hierfür
überwiegen.
Praxishinweis
Die Vergabekammer bestätigt das geltende Regel-Ausnahmeschema der grundsätzlichen Losvergabe. Hier hätte
eine losweise Vergabe auch tatsächlich ein wirtschaftlicheres Ergebnis erbracht. Die vorgesehene Gesamtvergabe
führt zu Mehrkosten von ca. 90.000 Euro.
RA und FA für Vergaberecht Dr. Konstantin Pohlmann, Leipzig
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